Es werden mehrere Jahrtausende von Liebe nötig sein, um den Tieren ihr durch uns zugefügtes Leid heimzuzahlen (Arthur Schopenhauer)

Leider sind es in erster Linie wir Menschen, die unseren Hunden die eigentlich artbedingte Fairness austreiben. Wir züchten, erziehen und vermenschlichen und ignorieren dabei, daß unsere Hunde lebendige Wesen mit Gefühlen sind, die eigentlich nur eins wollen: mit uns friedlich koexistieren und vor allem kooperieren.

Besessen von der Arroganz, per genetischen Auswahlverfahrens Eigenschaften beliebig an- oder wegzüchten zu können, übersehen wir, daß nichts auf der Welt zum Nulltarif zu haben ist. Wir behaupten, "sozial verträgliche Familienmitglieder" produzieren zu können und leugnen, daß es die Hunde sind, die den Preis dafür zahlen müssen. Wir messen ihr Verhalten an unserer Moral und tun so, als ob in der "Hundefabrik" alles zu bekommen wäre: das "triebige Sportgerät" genauso wie der "sozial verträglichen" Spielkamerad für unsere Kinder, den perfekten Wachhund, der stets weiß, wen er sich packen darf und wen nicht, ebenso wie den Jagdhund, der selbstverständlich nur jagt, wenn sein Halter es ihm gerade gestattet und das unantastbare Kuschelhäschen aus Nachbars Garten als solches erkennt und entsprechend verschont.

Es sind immer unsere menschlichen Wunsch- und Wahnvorstellungen, die am Ende diejenigen unter den Vierbeinern, die sich tatsächlich einmal wie ganz normale Hunde verhalten, in übelsten Kolumnen und unsäglichen TV-Beiträgen, die nur eins gemein haben, nämlich daß sie von jeglich seriöser Recherche vollständig befreit sind, an den Pranger stellen. Da wird lauthals über "den bösen Hund" polemisiert, der angeblich ohne Vorwarnung, dafür aber öffentlichkeitswirksam zubiß, praktischerweise stand der Redakteur nicht selten schon neben dem Veterinär, der mit der Todesspritze für den doch so offensichtlich "kranken" Vierbeiner so gar nicht zimperlich umgeht. In schönster menschlicher Manier schieben wir beiseite, daß das Tier lediglich seinen Instinkten folgte, und es eigentlich wir waren, die sich nicht "artgerecht" verhielten.

Wer jedoch versucht, genau das an den Mann oder an die Frau zu bringen, hat regelmäßig schlechte Karten. Wer davon spricht, daß aggressives Verhalten nicht nur nichts Schlimmes ist, sondern nur allzu oft der stumme Hilferuf eines Hundes, der sich ständig ausweglos in die Ecke gedrängt sieht, wird belächelt und muß sich Sätze wie "ach, ich soll meinem Köter den Knochen nicht wegnehmen? Blödsinn, das muß er abkönnen" oder "das kann doch gar nicht sein, daß er Angst hat, nur weil ich mich mit langem Mantel und tausend Taschen bepackt über ihn beuge, das ist er doch gewöhnt" anhören.

Zwar sind längst Hundetrainer an den Start gegangen, die den Hund nicht als "Werkzeug", sondern als Partner begreifen wollen, doch sind nicht selten sie es, die um's finanzielle Überleben kämpfen müssen, während die Hardliner, die im Zweifel lieber mal zu Stachler oder Würger greifen, reichlich verdienen.

Wer an sie gerät, sollte sich allerdings warm einpacken. Gerade ihre Methoden verstärken ungewolltes Verhalten eines Hundes nicht selten. Wer einem pöbelnden Hund, der eine Situation eigentlich viel lieber meiden würde, es aber nicht kann, weil die allgegenwärtige Leine ihn hindert, zu allem Überfluß auch noch Schmerzen oder gar die Todesangst zufügt, die aufkommt, wenn z.B. das Kettenhalsband die Luftzufuhr abschneidet, der darf sich nicht wundern, wenn der Vierbeiner beim nächsten Mal gleich "einen Zahn zulegt", im wahrsten Sinne des Wortes.

Würden wir schlicht und einfach aufhören, unsere Hunde durch unser hundlich betrachtet völlig falsches Herangehen zu bedrohen, würden wir nicht dauernd von angeblichen Dominanzproblemen sprechen, ersparten wir uns und unseren Hunden einige unserer alltäglichen Unbedachtheiten - es gäbe reichlich Schlagzeilen und viele aus dubiosen Gründen eingeschläferte Hunde weniger, von zahlreichen Problemen im alltäglichen Zusammenleben einmal ganz abgesehen.

Der Grundsatz "was Du nicht willst, was man Dir tu ..." - er ist einer, der nicht nur an den Umgang mit Mitmenschen angelegt werden sollte. Wer seinen Hund auf trainerliche Anweisung wochenlang ignoriert, weil er dem "Profi" glaubt, daß dem Vierbeiner auf diese Weise angeblich sein Platz in der Rangordnung zugewiesen werden müsse, bräuchte sich doch eigentlich nur selbst einmal die Frage zu stellen: "Würde es mir gefallen, wenn mein Fremdenführer im tiefsten Dschungel plötzlich beschließen würde, beredt zu schweigen und mich solange im Dunkeln tappen zu lassen, bis ich begriffen habe, daß ich der "Schütze A*** im letzten Glied" bin?"

Wohl kaum jemand würde hier noch "hurra" schreien, ebenso, wie wohl kaum ein Hundehalter seinem haarigen Gefährten böswillig Schaden zufügen will.

Im Gegenteil: In der Regel steht der Bezugsmensch eines sich aus Sicht seiner menschlichen Umwelt "böse" verhaltenden Hundes schon von Beginn an mit dem Rücken an der Wand. Spätestens nach dem ersten Loch im Fell eines Artgenossen oder mit dem blauen Fleck, den der panische Vierbeiner dem aufdringlichen Menschen verpaßte, der so unerschütterlich nach dem Hund grabschte, ist es um Mensch und Hund geschehen. Der Zweibeiner gerät unter Druck und macht ohnmächtig alles, was der "Fachmann" ihm rät, nur um des "Problems" Herr zu werden, und der Vierbeiner muß es aushalten.

Der einzige Ausweg aus diesem Dilemma wäre es nicht selten, wenn der Mensch sich seiner Instinkte erinnerte. Nicht jeder ist von verhaltensbiologischen Erkenntnissen oder lerntheoretischem Wissen geleitet, wenn er den Hund, der gerade vor Angst zittert, beruhigend streichelt oder dem sich wie wild gebärdenden Tier mit Sanftheit und der Vermittlung klarer Alternativen begegnen will, trotzdem tut er vom Gefühl her das genau richtige: Auf Angst nicht mehr Angst zu satteln und auf Aggression nicht mit Gegenaggression zu antworten, die letztlich nur eine Spirale der Gewalt in Gang setzt.

Eigenes Denken, eigene Reflektion über Ausbildungsmethoden und das Hören auf ein Bauchgefühl, das unnötige Härte dem Hund gegenüber längst verboten hätte - sie sind die Zutaten zu einem erfolgreichen und beiden Seiten Freude bereitenden Hundetraining.

"Die Größe und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man daran messen wie sie ihre Tiere behandelt. (Mahatma Gandhi)

Dieser Tervuerenrüde kam als Fundhund in ein deutsches Tierheim und wurde dann zu einer Züchterin dieser Rasse vermittelt. Wenige Wochen später war er tot, angeblich hatte er ohne Vorwarnung zugebissen. Terry litt zu diesem Zeitpunkt unter einer sehr schmerzhaften Entzündung der Prostata. Den Tierarzt interessierte das sowenig wie die Halterin, Terry wurde ohne Umschweife eingeschläfert. An dem Versuch, ihn zu retten, war ich beteiligt, die Hilfe scheiterte an der Arroganz und Ignoranz der Menschen.