Ritter Parcifal, genannt Sir Percy

Bens Tod am 21. Juli 2015 riß eine unbeschreibliche Lücke nicht nur in mein Herz. Auch die drei zurückgebliebenen Hunde waren vollständig neben der Spur. Bis ich durch Zufall das Bild eines Malinois sah. Via Tierbörse versuchte eine Tierschutzorganisation, den für mich so unfaßbar ausdrucksstarken Belgier zu vermitteln, seit Monaten ohne Erfolg. Eigentlich hatte ich "nur" für eine Freundin gesucht. Doch als ich die Augen von "Pongo 2" sah, war es um mich geschehen.

Wie damals bei Ben wußte ich sofort: Er ist es. Er kann der würdige Nachfolger eines unersetzlichen Hundes sein. Der, der den Platz bekommt, von dem ich Ben versprochen hatte, ihn, wenn die Zeit reif sein würde, wieder an einen Tierschutzhund zu geben. Wie schnell das sein würde, dieses "die Zeit reif sein" hatte ich dabei nicht geahnt.

Dumm nur, daß ich das Netz nicht für mich durchsucht hatte. Sondern für eine Freundin, deren "Plan B" ich hatte sein wollen, für den Fall, daß ihre Hündin sich mit "dem Neuen" nicht verstehen würde. Zum Glück ist diese Freundin eine gute Freundin. Ich beharrte darauf, mich an unsere Verabredung halten zu wollen. Doch sie spürte, was in mir los war und bestand darauf, keine Umwege zu gehen. Sie erklärte, ich hätte den Hund, in den ich mich verliebt hatte, zu nehmen und gut. Ich kann nicht beschreiben, wie erleichtert ich darüber war, nicht sagen wie dankbar ich dafür heute noch bin.

Der Kontakt zu "Perros de Catalunya" war zunächst schwierig. Hatten doch meine Freundin und ich parallel und bei verschiedenen Ansprechpartnerinnen Interesse signalisiert. So wurde mir zunächst mitgeteilt, der Hund, der seit März 2015 keinen Interessenten gehabt hatte, hätte nun einen. Einen ernsthaften. Es dauerte eine Weile, bis die Damen von der Tierschutzorganisation aufklären konnten, daß meine Freundin und ich uns unabsichtlich und unwissentlich Konkurrenz gemacht hatten. Als das endlich klar war, als klar war, daß ich tatsächlich die einzige war, die "Pongo 2" wirklich wollte, fiel mir ein ganzes Riesengebirge vom Herzen. Ich war ungeheuer erleichtert, bis die Aufregung begann.

Was ich nicht wollte, war nämlich, einen kranken Hund aufzunehmen. "Verhaltensoriginell", aggressiv, typisch Mali, das alles ja, doch einen mit Leishmaniose oder orthopädischen Problemen wollte ich mir zumindest bewußt nicht "antun". Das hatte einerseits finanzielle Gründe, vor allem aber hatte ich mit Athos und Ben zwei Seelengefährten verloren, das wollte ich nicht so schnell noch einmal erleben. Da Seppl, Lupa und Ilias altersmäßig recht nah beisammenliegen, war ich froh, diesmal instinktiv einen jungen, knapp zweijährigen, Hund ausgesucht zu haben. Dem wollte ich Freude am Leben, ein glückliches Mali-Dasein ermöglichen, etwaige Probleme würden wir meistern, Dauergäste bei unserer Tierärztin nicht schon wieder sein.

Natürlich lassen sich, gerade bei Auslandshunden, nicht alle Risiken ausschließen. Und auch, wenn "Pongo 2" zunächst als Pflegehund kommen sollte, wußte ich: Ich würde ohnehin wieder versagen und ihn, egal, was kommen würde, nicht wieder hergeben können. Doch wenigstens die "basics" konnte man klären. Wenigstens schauen, ob er frei von typischen Erkrankungen seiner Heimat war, konnte man testen.

Sabine Abendschein von "Perros de Catalunya" veranlaßte genau das umgehend. Parallel verabredeten wir, daß mein Bub Mitte Oktober via Landtransport kommen sollte. Das Zittern begann. Bis sich etwas ganz anderes änderte. Plötzlich schien eine Reise per Flugzeug möglich, weil Interessenten für andere Hunde abgesprungen waren. Ob ich meinen neuen Gefährten vielleicht schon am 16. September bei mir haben wolle? Ob ich ihn in Stuttgart am Flughafen abholen könne? Mein Herz raste. Denn zu dieser Zeit würde ich beruflich in München sein. Konnte ich es wagen, das zu kombinieren? Konnte ich die Hunde in fremder Umgebung zusammenführen? Ganz ehrlich: Hätte mir jemand anderer einen solchen Plan vorgetragen, ich hätte ihm einen Vogel gezeigt. Doch als es hieß, ob der Oktobertransport überhaupt zustandekommen würde, sei fraglich, wann sich die nächste Gelegenheit, meinen Hund aus dem spanischen Tierheim herauszuholen, ergeben würde, auch, sagte ich zu. Und das Zittern in Bezug auf die Blutergebnisse wurde schlimmer. Denn sie ließen auf sich warten, während der 16.9. immer näherrückte.

Ich weiß nicht, wie oft ich Sabine Abendschein anrief. Um zunächst nichts, dann tröpfchenweise Ergebnisse zu bekommen. Ehrlichiose, Babesiose, Borreliose, Anaplasmose - negativ. Nur der Test, der mich wirklich belastete, kam und kam nicht. Ich wurde nervös und nervöser, bis es, ich war schon auf dem Weg nach München, endlich hieß: Leishmaniose auch negativ.

Im genialen Münchner Hotel Moosbichl war man vorbereitet. Da würde ein Hundetrainer mit drei Hunden kommen und mit vieren wieder abreisen. Nicht nur kostete mich das nichts extra, nein, wurden meine Hunde und ich auch liebevollst betreut und "Pongo 2", der von da an Parcifal, nickname Percy, hieß, auf das freundlichste willkommen geheißen.

Und das nicht nur vom Hotelpersonal. Auch die Hunde verstanden sich vom allerersten Aufeinandertreffen an nicht nur gut, sondern hervorragend. Besonders Lupa war von Parcifal einfach begeistert. Schon am ersten Abend spielten sie wie die Verrückten miteinander, und dabei ist es bis heute geblieben. Die beiden Malis haben sich gesucht und gefunden, die ganz große Liebe entstand, ihre Verbindung scheint nicht weniger stark als die zwischen Lupa und Ben, um den sie so lange so sehr getrauert hatte.

Auch Ilias, der zwischenzeitlich schwer erkrankt war, profitierte von Beginn an von Percy. Seine Gesundung schritt von dem Moment an, in dem Parcifal unsere Familie bereicherte, in großen Schritten voran. Einzig Grantler Seppl gab zunächst den Unberührbaren. Doch mittlerweile stahl Parcifal sich auch in sein Herz, rennen sie miteinander, wie Seppl es bis dato nur mit Athos je getan hatte.

Kein Wunder, ist Percy doch trotz seiner jungen Jahre nicht weniger souverän als Ben. Ob mit Mensch oder Hund, Angst scheint nicht in sein Repertoire zu gehören, er zeigt eine unglaubliche Coolness in allen Belangen und war schnell auch als Mitarbeiter der Hundeschule eine extreme Bereicherung. Der perfekte Hund also? Für mich: ja. Für viele andere Menschen? Eher nicht. Denn Percy ist auch ein typischer Malinois. Er wacht und schützt, hinterfragt und hat eine eigene Meinung, er führt, wenn er nicht geführt wird und reicht, wenn er etwas oder jemanden als Bedrohung empfindet, durchaus an den "Hound of Baskerville" heran.

Für mich ist das ein großer Teil dessen, was einen Malinois ausmacht, was mich an der Rasse fasziniert. Händeln muß man es jedoch können und wollen, gerade bei einem so starken Charakter wie Parcifal ihn hat. Mir jedoch macht alles an ihm Freude. Ob im Aufbau im Schutzdienst, in der Unterordnung, ob mit ihm als Begleiter, den ich im Alltag wirklich überallhin bedenkenlos mitnehmen kann und nicht zuletzt als Hund, der intensiv und innig schmust und Körperkontakt sucht wie sein Vorgänger - Parcifal ist genau der Traumhund, den ich in seinen Augen sah als ich die ersten Bilder von ihm im Internet gefunden hatte.

Auslandstierschutz und Flüchtlingspolitik

Häufig erlebe ich, daß gegen Hunde aus dem Ausland gehetzt wird. Schließlich seien auch die deutschen Tierheime voll. Und müsse man doch erstmal an die denken, bevor man Flüchtlinge herkarre.

Ja, es gibt unseriösen Tierschutz. Es gibt ihn im Ausland. Es gibt ihn im Inland. Es gibt Leute, die sich an den Notleidenden bereichern, ob durch Geschäfte mit Billigwelpen, ob damit, ohne Vor- und/oder Nachkontrollen ungeprüft Hunde zu verschachern, die nur allzu oft falsch beschrieben, deren Probleme und/oder gesundheitliche Mängel verschwiegen werden.

Doch nichts davon ist ein Grund, keinen Hund aus dem Tierschutz zu adoptieren. Wer sucht, der findet. Seriöse Tierschützer, wunderbare Hunde. Wer ein Herz hat, der macht keinen Unterschied, ob das neue Familienmitglied aus Deutschland oder einem anderen Land stammt. Wer ein Herz hat, der fühlt mit den Tieren. Und hetzt nicht.

Und wer ein Herz hat, der fühlt nicht weniger mit den Menschen. Tierschutz und Menschenschutz sind untrennbar. Wer behauptet, Tiere zu schützen und unter diesem Deckmäntelchen gegen Flüchtlinge schießt, der ist ein Nazi, ein rechter Hetzer und kein besorgter Bürger.

Leider wird genau das aber immer häufiger: Mitleidheischend werden furchtbare Bilder gequälter Hunde z.B. auf Facebook gepostet.Kommentare, die erklären, hier müsse Hilfe sein, die Menschen, die ihre Heimat auf der Flucht vor Krieg, Terror und Gewalt verlassen und bei uns ein neues Zuhause suchen, hingegen nicht, werden nicht gelöscht, gar gelikt.

Und weil das so ist, sage ich, als Halter auch dreier Auslandshunde, als Hundetrainer und als Mensch: Das darf nicht sein. Wehret den Anfängen und wehrt Euch. Gegen Hetze und Intoleranz, egal, ob gegen Tiere oder Menschen, steht auf und sprecht dagegen.