Tierschutz at its worst - Ilias, vormals Flox, ist ein Paradebeispiel dafür, wie es nicht laufen sollte

Ein Bild, das Bände spricht. Als Ilias noch Flox (Bild links) hieß, wurde er von Griechenland nach Deutschland gebracht und an Menschen vermittelt, die mit seiner Angst nicht umgehen konnte. Allein ihre Lebensumstände waren Gift für den ängstlichen kleinen Kerl, der prompt zum "Rückläufer" wurde und mit der Pflegestelle, auf die man ihn setzte, vom Regen in die Traufe kam.

Auch in Flox' neuem Zuhause war er umgeben von unendlichen Mengen an Umweltreizen, die ihn immer wieder in Panik versetzten. In seiner Hilflosigkeit versuchte er, durch geschlossene Türen und Fenster zu flüchten. Als ich ihn kennenlernte, hatte er tagelang kaum geschlafen, die Augen fielen ihm immer wieder im Stehen zu.

"Notfall!! Flox' Herrchen war krank, Flox suchte ein neues Zuhause." Diese Zeilen waren auf der Internetseite einer Tierschutzorganisation zu lesen, an die ich mehr oder weniger zufällig geraten war. Über Umwege erfuhr ich von einem Hund, der auf einer Pflegestelle saß, wo er kaum zur Ruhe kam und von übermächtiger Angst vor allem vor bestimmten Geräuschen gequält wurde.

Von Flox' deutscher Vermittlerin wurde ich Ende Februar 2010 gebeten, einen Hund zu begutachten, dem das Etikett "untrainierbar" anhaftete, ein Trainer"kollege" hatte sogar schon seine Einschläferung angeregt. Ich fuhr ins Rheinische, auch weil ich felsenfest davon überzeugt bin, daß kaum ein Hund in eine solche Schublade paßt, und es zumeist, wenn die Menschen gewillt sind, durchaus Mittel gegen die Angst gibt und natürlich, weil ich einfach neugierig geworden war.

Hätte mir zu diesem Zeitpunkt jemand gesagt, daß der wunderhübsche Bursche, der mich in der Wohnungstür rutewedelnd begrüßte, nach diesem ja eigentlich professionell bedingten Besuch meine Hundefamilie erweitern würde ... ich hätte ihn ausgelacht. Dabei hätte ich es spüren können. Wenn ich es mir erlaubt hätte, dann hätte ich merken können, daß das zierliche Kerlchen, das so gar keine Angst zu haben schien, während es mich umgarnte, sich bereits in diesen ersten Sekunden in mein Herz geschlichen hatte.

Weil ich aber tapfer war, lehnte zunächst nur ein total übermüdeter Hund an meinem Bein, während ich davon erfuhr, daß der kleine Kerl scheinbar unkontrollierbare Ängste habe, von Panikattacken gepeinigt werde und außerdem eine ziemliche Zerstörungswut an den Tag lege. Ich schaute ihn an und schüttelte innerlich den Kopf.

Um eine lange Geschichte kurz zu machen: Das Gespräch verriet mir sehr schnell, daß die vergleichsweise hundeunerfahrene Pflegestellenfrau und der streßanfällige Flox keine gute Kombination und die Lebensumstände in diesem Haus Gift für das sensible Tier waren.

Wenn man ehrlich war, blieb im Grunde keine Wahl: Der Hund mußte umgesetzt werden, denn unter den Bedingungen, die hier herrschten, wäre er wahrscheinlich tatsächlich untrainierbar gewesen. Wo ein Kleinkind schrie, ein Welpe rumwuselte, ein weiterer Hund sein Zuhause hatte, direkt neben den Meerschweinchen, die im Wohnzimmer in ihrem Käfig fiepten, ist einfach zuwenig Raum, Ängste zu bewältigen, allein, weil das Gesamterregungsniveau bereits durch den fortdauernden Grund-Streß viel zu hoch war.

Lange Rede, kurzer Sinn: Ich stellte Flox meinen beiden Jungs, Ben und Seppl vor, nach umgehender gegenseitiger hundlicher Sympathiebekundung durfte er mit an Bord gehen, um zunächst einmal als Pflegling bei mir Station zu machen. Dachte ich. Tapfer behauptete ich, ihn nach erfolgtem Training vermitteln zu wollen, und ich bin sicher, ich glaubte mir zu diesem Zeitpunkt noch selbst. Meine Umwelt allerdings tat das nicht eine Sekunde lang. Niemand war da, der Wetten dagegen gehalten hätte, daß Flox, den ich bereits auf den Namen Ilias, was im Griechischen soviel wie "Kind der Sonne" oder "Kind des Lichts" bedeutet, getauft hatte, am Ende auf Dauer bei mir bleiben würde.

Und so kam es dann auch, ich fand eine neue, größere Wohnung, die Sorge, dieser wunderbare Hund könne, in den falschen Händen mit seinen Ängsten zum "Wanderpokal" werden, hatte obsiegt.

Basis dafür war, daß Ilias bewies, daß die Gerüchte über seine Panikattacken nicht nur Gerüchte gewesen waren. Was er bei mir nie zeigte (und auch immer noch nicht zeigt), kam zutage, als er, dessen Aufenthalt bei mir ja nicht geplant war, furchtbares Angstverhalten zeigte, nur weil ich ihn zwei Tage lang zu Freunden von mir geben mußte, um die lange vor seiner Ankunft geplante Ungarn-Fahrt antreten zu können.

Ich war noch nicht aus Deutschland heraus, als mich die Nachricht erreichte: Ilias macht Terror. Sprichwörtlich über Tische und Bänke gehe er, sei nicht zu beruhigen, fräße nicht, könne nicht allein gelassen werden ... mir rutschte das Herz in die Hose.

Umdrehen konnte ich nicht, so daß ich zunächst einmal tierärztliche Hilfe organisierte, während ich Ilias das innerliche Versprechen gab, in nicht noch einmal ein solcher Not zurückzulassen. Nachdem die Fahrt überstanden, die Eingliederung des Dobermanns, den ich transportiert hatte, gelungen war, unterschrieb ich zweierlei: einen neuen Mietvertrag und den Schutzvertrag für den kleinen Dreifarber, der mich jetzt etwas ganz Neues lehrt: Daß Angsthunde trotz allem auch außerordentlich freche Schnösel sein können.

Denn natürlich war nicht alles aus der Luft gegriffen, was man mir erzählt hatte. Natürlich gab und gibt es Situationen, in denen Ilias von Umweltreizen überflutet ist und daraus resultierend unsicheres Verhalten zeigt, das nur allzu leicht in Panik umschlagen könnte, nähme ich nicht wahr und ernst, was er auf unvergleichliche Weise kommuniziert, daß er Hilfe und Führung benötigt, um sich wieder beruhigen zu können, nämlich.

Begleitet von Ben und Seppl, an denen sich Ilias nur zu gerne orientiert, gehen wir nun mit offenen Augen durch die Welt, in der sich mein graziler Grieche zunehmend lockerer und freier bewegt. Er kommt zu mir, wenn ihm etwas unheimlich ist, von der Nähe, die er sucht und bekommt, gestärkt, ist er mittlerweile oft so mutig, daß es schon beinahe an Frechheit grenzt.

Seine beiden Hundekumpels nämlich verunsichern ihn keineswegs. An ihnen probiert er sich eher aus, er testet Grenzen, provoziert, kassiert Anraunzer und findet seinen Platz in der Gruppe immer wieder neu. Es ist einfach phantastisch, zuzuschauen, wie die Vierbeiner miteinander "sprechen", aber auch zu erleben, wie sie füreinander einstehen.

Von und mit Ilias lerne ich, wie mit Ben und Seppl auch, erneut unendlich viel Neues über die "Wunderwelt Hund", und ehrlich gesagt, ich möchte ihn genausowenig noch missen wie die beiden anderen "Jungs".

Besser als durch ihn jedenfalls kann ein Mensch kaum erfahren, wieviel Einfluß wir auf das Verhalten unserer Hunde nehmen und können und was alles möglich ist, wenn wir nur gewillt sind, einfach mal genau genug hinzuschauen, denke ich.

Der ängstliche Hund und seine größte Stärke: Ilias ist von menschlicher Gesellschaft oft überfordert, von hundlicher nie.

Für Ilias waren seine Artgenossen die beste Medizin. An ihnen konnte und kann er sich orientieren. Und ob nun Ben, Seppl oder wie hier Athos, die Liebe beruht auf Gegenseitigkeit. Mein kleiner Grieche mit dem großen Charme ist im Zusammenspiel mit seinen Artgenossen ein richtiger Star, der sogar Ben, den Hund, der nicht spielen konnte, dazu bringt, sich auf den Austausch innerartlicher Zärtlichkeiten und die eine oder andere fröhliche Rangelei einzulassen.